Die zwölfte Ausgabe der Bioeconomy Conference fand am 04.06.2024 in den Räumlichkeiten des Deutschen Biomasseforschungszentrums in Leipzig statt. Knapp 100 Gäste aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik kamen zusammen, um über verschiedenste Themenfelder, welche die Bioökonomie tangieren, mit unterschiedlichen Blickwinkeln zu sprechen und zu diskutieren. Deutlich wurde: Die ersten Großinvestitionen der Bioökonomie laufen an, viele gute Konzepte füllen die Ideenpipeline – aber noch sind einige Hürden zu nehmen.

Der mitteldeutsche Industriefachverband BioEconomy e. V. richtete seine diesjährige “Bioeconomy Conference” am 4. Juni in Leipzig aus, knapp 100 Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik nahmen teil.

Dr. Joachim Schulze (BioConsulting GmbH/BioEconomy e.V.) bei der Begrüßung zur Rolle der Bioökonomie bei der Transformation der Industrie. Quelle: Bioeconomy e.V.

Den ersten Themenblock eröffnete Michael Kellner, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) per Videoschalte. Er betonte die Relevanz der Bioökonomie im Rahmen der nationalen Industriestrategie des BMWK, bspw. vor dem Hintergrund der Kaskadennutzung oder der Reduktion der Rohstoffabhängigkeit. Kellner zeigte sich dabei offen für eine Reform des Vergaberechts oder den Ausbau grüner Leitmärkte, um die Wettbewerbsfähigkeit biobasierter Verfahren und einhergehender Produkte zu steigern. Und: “Die Bioökonomie braucht Schutz vor Fälschungen, z. B. aus China.” Abschließend ermutigte er die AkteurInnen zum weiteren aktiven Austausch mit der Politik. Im Anschluss stellte Dr. Kathrin Rübberdt von der DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V. sich der Frage, ob wir angesichts Energiewende, Wasserstoffoffensive und nachhaltiger Chemie “noch Bioökonomie” brauchen. Ihre Antwort: Vor allem bei der Nutzung biogener Nebenprodukte und von Abfallstoffen gibt es noch Potenzial, wobei sie für eine anwendungsorientierte Technologieauswahl plädierte.

Von den Baustellen der Bioökonomie: Leuchtturmprojekte der Region

Der zweite Themenblock befasste sich mit aktuellen Berichten von Großprojekten aus der regionalen Bioökonomie. Matthias Schleicher von UPM Biochemicals GmbH berichtete über das Konzept und den Baufortschritt einer weltweit einzigartigen Bioraffinerie zur Erzeugung von Biochemikalien auf Buchenholzbasis in Leuna. 2012 habe man erstmals Technologien und Standorte für das Vorhaben evaluiert, in Kürze solle die Anlage in Betrieb gehen. Produziert würden dann jährlich bis zu 220.000 t biobasierte Glykole, die in PET/PEF, Polyester und Kühlmittel Verwendung finden würden. Dr. Adam Franz von CropEnergies stellte im Anschluss die in der Errichtung befindliche Anlage zur Herstellung von biobasiertem Ethylacetat in Elsteraue (bei Zeitz) vor, welche im April 2025 die Produktion aufnehmen soll. Hier soll das am Verbundstandort der Südzucker in Zeitz gewonnene Bioethanol zur Plattformchemikalie veredelt werden. Über das bereits in Betrieb genommene Lignin Center der Mercer Rosenthal GmbH in Rosenthal zur Herstellung von Kraftlignin aus Nadelholz referierte Dr. Christian Sörgel. In der Pilotanlage werden 350 t Lignin pro Jahr erzeugt. Den Abschluss dieses Themenblocks machte Franca Drexler vom Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme IWES mit ihrem Bericht über das Projekt „Leuna100“, welches sich am Chemiestandort Leuna mit der CO2-basierten Synthese von grünem Methanol für Schifffahrt und Industrie befasst.

Dr. Christine Rasche (Fraunhofer CBP) bei der Moderation der Diskussionsrunde zu den Baustellen der Bioökonomie. Quelle: Bioeconomy e.V.

Let’s pitch! Innovationen der Bioökonomie

Dass es an neuen und guten Ideen gerade in der Bioökonomie nicht mangelt, machten die Pitches mehrerer Start-Ups und Pre-Seeds deutlich. Diese Session wurde in Kooperation mit der SMILE Gründungsinitiative der Universität Leipzig, der Future Forest Initiative und dem Technologiepark Weinberg Campus organisiert. Als Publikumsliebling erwies sich das Start-Up YcoLabs aus der Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen, das mit einem Award ausgezeichnet wurde. YcoLabs-Mitgründer Robin Scharf stellte dar, wie kreislauffähiger, leichter Bau-Dämmstoff auf Pilzbasis herstellt werden kann. Auch die Pitches von ESTER Biotech (Entwicklung enzymatischer Recyclinglösungen zur Schaffung einer kreislaufbasierten Kunststoff-Wirtschaft), SCPsense (Entwicklung mobiler Biosensoren für den schnellen Vor-Ort-Nachweis anthropogener Stoffe in der Umwelt und in Lebensmitteln), CovaSyn (Entwicklung präziser KI-Vorhersagemodelle mit Flow-Chemie, um den chemischen Raum effizienter zu erforschen), eversyn (Entwicklung neuartiger, GVO-freier biokatalytischer Kaskaden) und eco:fibr (Herstellung von Zellstoff aus Ananaspflanzenresten) nahmen die Teilnehmenden begeistert auf.


Startup-Session „Let’s pitch!“ im Technikum. Quelle: DBFZ

Die Finanzierung der Bioökonomie

Daran, dass sich biobasierte Produkte nicht von allein verkaufen, sondern mit Attributen versehen und in den Markt gebracht werden müssen, erinnerte Daniel Heß von der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners, Strategy & Marketing Consultants. Zum Thema Venture Capital (VC) für die Bioökonomie referierte Bruno Rudnik von SEF Ventures Management. Seiner Einschätzung nach haben Start-Ups weiterhin im „Valley of Death“ zwischen Proof-of-Concept und Demonstrationsmaßstab zu kämpfen. Wie es um Bankdarlehen und Projektfinanzierung in der „Zeitenwende“ steht, dazu gab Achim Oelgarth vom Ostdeutscher Bankenverband einen Einblick. Zwar seien die VC-Transaktionen 2023 um -40 % eingebrochen, dennoch hätten sich die Investments in Biotechnologie- und Medizinprojekte stabil behauptet. Die Banken würden zunehmend mit den Kunden nach dem jeweils passenden „Finanzierungsmix” suchen. Prof. Oliver Holtemöller, stellvertretender Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, erinnerte an die Rahmenbedingungen der Bioökonomie und ihre Entwicklungschancen und -risiken. Dabei wurde klar, dass die Fachkräftesituation bei der derzeitigen Entwicklung in Deutschland zu einer Abnahme des Bruttoinlandprodukts führen wird. Hier brauche es Lösungsansätze, wie die Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland.

„Zurück für die Zukunft“

Den Schlussakkord setzte Olaf Höhn von der Florida-Eis Manufaktur aus Berlin. Er zeigte sehr anschaulich, wie er und sein Team es schafften ihre energieintensive Speiseeisherstellung CO2-frei zu gestalten – unter anderem durch elektrische Lieferwagen inkl. Kühlaggregat, oder die Kopplung der Produktion mit Photovoltaik, Solarthermie und Energierückgewinnung.

Bioeconomy Conference diesmal mit regionalem Fokus

Der mitteldeutsche Industriefachverband BioEconomy e. V. richtete seine diesjährige Fachkonferenz am 4. Juni in Leipzig aus, co-finanziert durch das Strukturwandelprojekt “House of Transfer”. Der Fokus der 12. BioEconomy Conference lag, im Vergleich zu vorherigen internationalen Formaten, dieses Jahr auf AkteurInnen der Bioökonomie aus Mitteldeutschland. Dr. Joachim Schulze, Vorstandsvorsitzender des BioEconomy e.V. mit Sitz in Leuna, und der wissenschaftliche Geschäftsführer des Deutschen Biomasseforschungszentrums (DBFZ), Prof. Michael Nelles, hießen die knapp 100 TeilnehmerInnen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik willkommen.

Nach der Konferenz ist vor der Konferenz

Bereits jetzt steht das Datum für die nächstjährige 13. Auflage der Bioeconomy Conference fest. Im Gegensatz zu der diesjährigen Veranstaltung wird die Fachkonferenz 2025 dabei erneut im internationalen Rahmen ausgetragen und vom 17. bis 19. Juni 2025 in Halle/Saale stattfinden.

Der BioEconomy e.V.

Der BioEconomy e. V., Hauptveranstalter der BioEconomy Conference, wurde 2012 mit dem Ziel gegründet, Mitteldeutschland zur internationalen Modellregion der Bioökonomie zu machen. Im Jahr 2012 gewann der Verein den sogenannten Spitzencluster-Wettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), womit es möglich war, Forschungs- und Entwicklungsprojekte der Bioökonomie in Sachsen-Anhalt mit rund 40 Mio. Euro zu unterstützen. Mit Sitz in Leuna zählt der BioEconomy e.V. derzeit 48 Mitglieder – überwiegend aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.