Fast ein Jahr Arbeit hatte das Schreiben des Antrags gekostet. „Solange wie bisher kein anderer Antrag“, so Thomas Hirth, Chef des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB). Umso größer war Mitte Januar der Jubel des von Hirth und Clustermanager Stefan Witt (JSW) koordinierten Teams aus Firmen und Forschungsinstituten. Ihr BioEconomy-Projekt ist einer der fünf Spitzencluster, die der Bund in den nächsten fünf Jahren mit je 40 Mio. Euro fördert. Welche Ziele und Projekte das BioEconomy-Projekt verfolgt, darüber sprach Hirth mit |transkript.

Die Ambitionen des ostdeutschen Spitzenclusters sind groß. Damit die Region um Leuna zur laut Hirth „ersten Bioökonomieadresse in Europa“ wird, verfolgen die mehr als 80 Partner des BioEconomy-Clusters zwei Ziele. „Erstens die maximale Wertschöpfung aus Holz, und zweitens die Skalierung von Verfahren der nachhaltigen Holznutzung über die ganze Innovationskette, also vom Labor- bis in den industriellen Maßstab hinein. Viele Projekte im Bereich der Bioökonomie bleiben heute auf der Stufe des Pilotmaßstabes stehen“, so Hirth. „Wir wollen dieses Valley of Death überwinden und in den Demonstrationsmaßstab gelangen, so dass Investitionen der Industrie in diese Technologien folgen können.“ Das Timing für den Start der Förderinitiative hätte nicht besser sein können. Mitte Februar stellte die Europäische Kommission ihren Aktionsplan für die Bioökonomie bis zum Jahr 2020 in Brüssel vor. Dabei wurde klar: Der deutsche Ansatz, eine Art „Holzbioraffinerie“ aufzubauen, ist europaweit einzigartig. Große Buchenholzbestände, die im Holzcluster Rottleberode, 90 Kilometer nordwestlich von Leuna, verarbeitet werden, sollen dabei als Rohstoff für Holzwerkstoffe, Chemikalien und Energieträger dienen. „Unser Ansatz ist besonders wegen der Koppelproduktion und Kaskadennutzung wirtschaftlich interessant“, erklärt Hirth. Aber auch wegen der kurzen Transportwege, weil Holz nicht in Konkurrenz zur Lebensmittel- und Futterproduktion steht und eine hohe Wertschöpfung aus der Ligninverwertung erwartet wird, ist die Wahl auf Holz gefallen. Basis der Holznutzung ist die Entwicklung und Etablierung neuer Aufschluss-, Pyrolyse-, Vergasungs-, katalytischer und Fermentationsverfahren, wie das derzeit am Fraunhofer-Zentrum für Chemisch- Biotechnologische Prozesse (CBP) im Pilotmaßstab entwickelte Organosolv-Verfahren. Es spaltet die Holzhackschnitzel in Cellulose, Hemicellulose und Lignin. Die etwa 50% Glucose, 30% Xylose und 20% Lignin, die nach chemischer und enzymatischer Spaltung zur Verfügung stehen, werden anschließend in drei Leitprojekten zu Produkten veredelt. „Das erste Leitprojekt, an dem viele der ins- gesamt 46 KMU teilnehmen und das vom Fraunhofer-IWM in Halle koordiniert wird, beschäftigt sich mit Lignin-basierten Holzwerkstoffen“, erklärt Hirth – zum Beispiel Lignin-Thermoplasten, PU-Schäumen und Phenolharzen. Ein weiteres unter Federführung von Linde und Total widmet sich der bioba- sierten Herstellung von Wasserstoff und Kohlenwassenstoffen. Im dritten, vom Umweltforschungszentrum (UFZ) Leipzig koordinierten Leitprojekt geht es um die Analyse der Stoff- und Energieströme, um die größtmögliche Nachhaltigkeit der Prozesse zu erzielen. „Ein Ziel bei der biobasierten Gewinnung von Chemikalien ist es, Aromaten wie Phenol aus Lignin zu gewinnen, ein anderes grünen Wasserstoff, Kohlenwasserstoffe und chemische Verbindungen wie Ethanol, Butanol, Carbonsäuren und Ethylen zu produzieren“, so Hirth. Mit an Bord sind dabei von Anfang an große Partner, zum Beispiel Vattenfall, die Linde Engineering Dresden oder Total. Aber auch das mit 50 Mio. Euro vom Land Sachsen-Anhalt, der Fraunhofer-Gesellschaft und dem Bund finanzierte Fraunhofer-CBP am Chemiestandort Leuna und das 20 Mio. Euro schwere Pilotanlagenzentrum in Schkopau sind beteiligt. Während in der Pilotanlage aus bio- basierten Monomeren neue Polymere gewonnen werden sollen, steht in Leuna die Konversion der biogenen Rohstoffe zu Monomeren, Kohlenwasserstoffen und Wasser- stoff im Vordergrund. Was im Labormaßstab bereits funktioniert, soll laut Hirth nun in den Pilotmaßstab überführt werden. „Bis 2020 sollen in Leuna die ersten Demonstrations- und Produktionsanlagen laufen.“

Das Interview mit Herrn Prof. Dr. Hirth führte: Thomas Gabrielczyk
Quelle: www.transkript.de