Fortschritt kommt oft in kleinen Schritten daher. Auch für das ehrgeizige Ziel, den Wandel von einer erdöl- hin zu einer bio-basierten Industrie voranzutreiben, braucht es langen Atem und den Mut, neue Wege einzuschlagen. Und wer solch Neuland betritt, der darf ruhig die Werbetrommel rühren, wie es jetzt die Akteure des in Mitteldeutschland ansässigen Spitzenclusters BioEconomy vormachen. Die Neuigkeit: Der Verbund aus Industrie und Forschung, der 2012 als einer von fünf Gewinnern der 3. Runde des Spitzencluster-Wettbewerbs durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hervorging, ist vom 16. bis 17. September auf der „naro.tech“ in Thüringen vertreten.

Das Internationale Symposium „naro.tech –Werkstoffe aus Nachwachsenden Rohstoffen“ zählt mittlerweile weltweit zu den führenden Wegweisern der Branche und ist Plattform für das Who’s Who aus Wissenschaftlern und Industrie-Vertretern. Zur Tagung werden rund 200 Gästen aus 17 Ländern im CongressCenter der Messe Erfurt erwartet, um sich über die neuesten Entwicklungen auf den Gebieten des werkstofflichen Einsatzes nachwachsender Rohstoffe, wie etwa der Naturfaser- und Holzfaserverbundwerkstoffe sowie der Biopolymere und Holzwerkstoffe auszutauschen.

„Wissenstransfer“ ist auch gleich das Schlagwort für Dr. Renate Lützkendorf, welche die „naro.tech“ bereits in zehnter Auflage organisiert. „Das Symposium versteht sich als Plattform, auf der sich Industrieunternehmen und Wissenschaftler über neueste Entwicklungen unterhalten können. Kurz: Hier trifft Grundlagenforschung auf konkrete Anwendung“, betont die Abteilungsleiterin Textil- und Werkstoff-Forschung im Thüringischen Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung (TITK).

Aufgegliedert nach Themenstrukturen, so genannten Sektionen, steht die Tagung in diesem Jahr gleich unter den vier Überschriften: Composites, Alternative Cellulose, Biopolymers und BioEconomy. Letzteres Thema wird erstmals vom gleichnamigen Spitzencluster aus Mitteldeutschland besetzt, dem bereits mehr als 60 Unternehmen und Institutionen aus Industrie und Forschung angehören. Die Erwartungen sind hoch. „Wir sehen im international besetzten Podium die einmalige Chance, unseren Ansatz einer auf nachwachsenden Rohstoffen basierenden Wirtschaft vorzustellen. Der Nutzen des bioökonomischen Wirtschaftens steht außer Frage. Über unsere Erfahrungen im Cluster wollen wir mit Experten aus aller Welt diskutieren, auch, um endlich einen Paradigmenwechsel herbeizuführen“, fasst der Vorstand im BioEconomy e.V., Horst Mosler, zusammen. „Bioökonomisches Umdenken und der Einsatz neuer Technologien sind erforderlich, um künftig aus Non-Food-Biomasse viele Werkstoffe, Chemikalien und Produkte zu generieren. Genau das wollen wir kommunizieren“, so Mosler.

Zu stemmen ist dieses ehrgeizige Ziel nur, wenn es gelänge, alle relevanten Forschungs- und Industriebereiche, die sich mit der Bioökonomie beschäftigten, inhaltlich und wirtschaftlich besser zu verzahnen. Angefangen von der Holzwirtschaft, dem Maschinen- und Anlagenbau, der Chemie- und Kunststoffindustrie bis hin zur Bioenergiewirtschaft und nicht zu vergessen: der Wissenschaft. Dafür ist Knowhow erforderlich, Knowhow, das aus Mitteldeutschland kommt. „Wir entwickeln den Ansatz der Bioökonomie als Modellregion – durch den Erfahrungstransfer kann am Ende ganz Europa davon profitieren“, unterstreicht Horst Mosler.

Spannende Fach-Vorträge sind garantiert. Auch, weil die vom Spitzencluster BioEconomy ausgewählten Referenten aus ganz unterschiedlichen Branchen stammen, ergänzt Henning Mertens als Sprecher des Spitzenclusters. Zu Wort melden werden sich etwa Wissenschaftler aus dem Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik (IWM) Halle, aus dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und aus dem Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ). Aber auch Vertreter von Unternehmen, wie etwa der Global Bioenergies GmbH, sprechen in der Sektion BioEconomy über neue Entwicklungen und industrialisierte Lösungen. „Wir wollen darüber diskutieren, wie eine Wirtschaft auf Basis nachwachsender Rohstoffe funktionieren kann. Das Ganze konkret auch am Beispiel von Holz“, sagt Henning Mertens. Kein Wunder: 40 Prozent des deutschen Buchenbestandes stehen als wertvolle Ressource in den Wäldern der Clusterregion. Bei allen Aktivitäten liege, und das ist ihm wichtig, immer das Augenmerk auch auf der nachhaltigen Bewirtschaftung des Waldes.

Doch zurück zur „narotech“ insgesamt. Welche Entwicklungen sind besonders auffällig? „Neben den technologischen Neuerungen wohl die des Umdenkens“, sagt Dr. Renate Lützkendorf. „Naturfaser-Verbundwerkstoffe haben in der Automobilindustrie längst Einzug gehalten, das weiß jeder. Doch jetzt gibt es dafür auch das klare Bekenntnis getreu dem Motto: Ich will diese natürlichen Materialien im Innenraum des Autos zeigen“, sagt die Textil-Ingenieurin. Bislang sei das kaum der Fall gewesen. Die Werkstoffe wurden versteckt, zumeist nur als Trägermaterialien eingesetzt, auf die ein Dekor aufgebracht wurde. „Der Verbraucher hat das nie registriert und registrieren sollen. Nun zeigt man aber demonstrativ, dass man etwas für die Umwelt tut und kommuniziert das auch so dem Käufer“, sagt Lützkendorf, die dieses Umdenken lobt, auch, weil damit das Thema Bioökonomie besser den Verbraucher erreicht.

Seit 1999 veranstaltet die Messe Erfurt das Internationale Symposium „naro.tech –Werkstoffe aus Nachwachsenden Rohstoffen“. Fachliche Partner des Symposiums sind die Forschungsvereinigung Werkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen (WNR, www.wnr-forschung.de), das Thüringische Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung (TITK, www.titk.de) in Rudolstadt/Thüringen sowie die Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL, www.tll.de) und 2014 auch der Spitzencluster BioEconomy (www.bioeconomy.de).